26.Jan. 2023
Memoiren eines Sechsjährigen – Neuerscheinung Hörbuch
Wir haben uns längst daran gewöhnt: laut muss sprechen und vielfach wiederholen, wer öffentlich wirken will. Was aber, wenn einer nur sagen und nicht wirken möchte? Wenn Worte und Sätze allein gelassen werden und absichtslos das Herz streifen? Wie fühlen wir uns mit inwendigen Spuren, von denen wir nicht wirklich wissen, wie sie da hineingekommen sind?
Das Bild einer landenden Seele impliziert lautloses Gleiten, ein immaterielles Segelflugzeug, Ankommen ganz ohne Blumensträuße und Festreden. Alles, was sich künftig entfalten wird, ist namenloses, ist unbewertetes Geheimnis, bis sich der Blick eines kleinen Jungen darauf richtet.
Dem entspricht die in der Regel knappe Gestalt der einzelnen Text-Sequenzen – nichts hat ein Vorher, alles jedoch eine Gegenwart. Auf wunderbare Weise gelingt es Hannes Sonntag, Jahrzehnte Vergangenem eine Sprache zu geben, die nicht den Versuch unternimmt, zu „kindeln“, deren geistige und sinnliche Präsenz aber vollkommen authentisch einer kleinkindlichen Seele angehört.
Insofern kann die Erzählung frei in den Fünfzigern des 20. Jahrhunderts siedeln, ohne sich von einem zeitabhängigen Kolorit in die Pflicht nehmen zu lassen. Nein, eine Seele ist zeitlos – und die Seele dieses kleinen Jungen könnte ebenso in einem anderen, früheren oder späteren Zeitraum schweben.
Die Idee, Sonntags Sprache mit von Sonntag gespielter Klaviermusik wechseln zu lassen, wäre eine besondere Eloge wert. Die Auszüge aus Alfredo Casellas zauberhaften Kinderstücken sind der jeweils kurze, speichernde Rückzugsort für die Hörenden. Man hätte auch Schumanns Kinderszenen etwa oder Debussys Childrens Corner wählen können. Doch erstaunlich genug – Casellas Pezzi infantili von 1920 wirken im gegebenen Kontext wie wahlverwandt.
Hannes Sonntag präsentiert sich in diesem ganz besonderen Hörbuch gleich dreifach: als Autor, Sprecher und Pianist. Was des Guten zu viel sein oder ermüdend wirken könnte, vereinigt sich hier jedoch zu einer personellen Identität, die vor allem eines sogleich offenbart: ihre sinnstiftende innere Wahrheit.
18.Juli 2022
Der dunkle Glanz des Thomas Mann – Neuerscheinung Hörbuch
Warum ein weiteres Mal das Wort an den deutschen Großautor, den viel gelesenen und besprochenen – an Thomas Mann? Und warum die Wahl gerade dieser Erzählung, die zu seinen bekanntesten gehört? Berechtigte Fragen, die jedoch nur die literarische Oberfläche streifen und sich an der Gleichung „bekannt gleich unergiebig“ orientieren.
Wir lassen uns bei dieser Neu-Produktion von anderen Motivationen leiten. Ein Text wie Phosphor – Thomas Manns 1930 erschienene Erzählung könnte brillanter nicht sein. Aber damit nicht genug, denn Mario und der Zauberer ist eben nicht glättender Klassiker, sondern irritierendes Schauspiel.
Und eben um dieser Irritation willen ist der Text so spannend und zeitnah – denn sein Narrativ bewegt sich zweigleisig. Der Erwartung des Erzählers steht nicht etwa der konventionelle Zauberkünstler gegenüber, sondern die reißerische Praxis eines manipulierenden Hypnotiseurs. Ein Könner des Schlechten, der seine Talente missbraucht und damit das Geschehen in ein tödliches Drama reißt.
Die Erzählung wird immer schon als Parabel auf den italienischen Faschismus gelesen – und es gehört nicht viel Transfer dazu, ihre „Warnkraft“ auch heutigen gesellschaftlichen Machtgelüsten zu assoziieren. Gleichzeitig ist sie eine weitere Variation der Mannschen Künstler-Thematik. Modernität eines literarischen Meisterwerks.
Markus Kopf als Sprecher, Bearbeiter und Ideengeber des Konzepts, Schlagzeuger Ben Bönniger und Pianist Christian Pabst wagen eine turbulente Neu-Interpretation, die einem solchen Ansatz entspricht. Text und Musik inspirieren und untertunneln einander – und bewegen sich gerade deshalb in einer geistigen Gemeinschaft, die aus der Mischung von Reibung und Verstehen etwas ganz Neues macht.
Das Coverbild von Igor Oster erfasst mit brutalem Scharfblick die Optik eines suspekten Charakters.
12.Juni 2022
Endlich wieder „in echt“…
… wie eine Injektion frischen Lebens: Kulturveranstaltungen analog!
Im charmanten Ambiente von Haus Wellensiek (Bielefeld) knüpfte Hannes Sonntag mit seinem Roman Solange es noch geht an die 2020er Leseereignisse an. Der voll besetzte Saal wartete gespannt auf ein Buch, das durch die aktuellen Zeitgeschehnisse noch zusätzlich an Aktualität gewonnen hat.
Im Dialog mit Kompositionen von Mendelssohn, Chopin, Grieg und Schumann entführte Sonntag in seiner Doppelrolle als Autor und Pianist das bewegte Publikum in die Welt seines Roman-Protagonisten Jakob Sandlitz.
17.Feb. 2022
Podcast: Humor in Musik und Literatur
Hannes Sonntag im Gespräch mit Heiko Link
Wie steht es mit dem Humor in klassischer Musik? Was ist Musikerhumor? Welchen Spielarten von Humor begegnet man in der Literatur?
Kenntnis- und facettenreich gibt Hannes Sonntag Einblick in die Welt echter oder scheinbarer künstlerischer Leichtigkeit. Gute Laune versprüht nicht zuletzt das Gesprächsduo selbst: Mozart ein heutiger Mick Jagger?, der Grandseigneur des Humors, Mark Twain, ein erfolgreicher politischer Aktivist?
Das Vergnügen des Heiteren ist hier zu hören: https://www.business-lemonade.com/blog/
10.Okt. 2021
Von Flügeln beflügelt
Ein Meer an Flügeln scheint hier in den Raum zu wachsen. Mittendrin jenes legendäre „Wiener Schlachtschiff“, für das sich Christian Pabst nach langer Qual der Wahl entschied. Der Bösendorfer Imperial, gerade auch von Jazzern immer wieder geliebt, bietet ein absolutes Optimum an klanglichen Spielräumen. Thomas Manns ‚Mario und der Zauberer‘ fühlte sich in dieser Sphäre adäquat aufgehoben.
Dem Haus der Klaviere Gottschling, das uns generös seine Hallen öffnete, gilt unser herzlichster Dank.